"Architekt, bleib bei deinen Plänen"

Árpád Farkas, Anwalt für Immobilienrecht

Was passiert eigentlich, wenn ein Architekt dem Bauherrn Vertragsklauseln vorformuliert, die dieser dann bei der Beauftragung von Werkunternehmern weiterverwendet? Der Architekt bekommt große Probleme, entschied der BGH (Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 190/22). In der Zurverfügungstellung einer solchen Klausel verstößt der Architekt gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und macht sich nach § 823 (2) BGB in Verbindung mit § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz gegenüber dem Bauherrn schadensersatzpflichtig.

 

Das Wesentliche in aller Kürze:

(zitiert nach BGH, Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 190/22, Rn. 31)

 „Die Zurverfügungstellung einer der Interessenlage der Klägerin entsprechenden Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmen geht über die typischerweise mit der Verwirklichung von Planungs- und Überwachungszielen verbundenen Aufgaben und damit über das Berufsbild des Architekten hinaus. Denn die Erfüllung einer solchen Pflicht erfordert qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur in der Anwaltschaft vorhanden sind. Es bedarf deshalb des Schutzes des Bauherrn als Rechtssuchenden vor unqualifiziertem Rat.“

 

Zum Fall:

(zitiert nach BGH, Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 190/22, Rn. 1-5)

 „Die Klägerin verlangt von dem beklagten Architekten Schadensersatz. (…) Der Beklagte war mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 gemäß § 33 HOAI (2009) hinsichtlich des Neubaus eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes beauftragt. Der Beklagte stellte der Klägerin unter anderem einen Bauvertragsentwurf mit einer von ihm vorformulierten Skontoklausel zur Verfügung, den diese bei der Beauftragung von zumindest vier bauausführenden Unternehmern verwandte.“ Von der Schlussrechnung einer der bauausführenden Unternehmen behielt die Klägerin einen dreiprozentigen Skontoabzug in Höhe von 125.098,75 € brutto ein. In einem Rechtsstreit mit dieser Bauunternehmung stellte sich heraus, dass die Skontoklausel unwirksam sei und der Einbehalt insoweit von der Klägerin an den Bauunternehmer erstattet werden musste.

 

Die Klägerin verklagte daraufhin den Architekten auf Ersatz des nicht realisierten Skontos in Höhe von 125.098,75 € als Schaden.

 

Die Lösung:

Während das Oberlandesgericht Stuttgart sich als Berufungsinstanz noch auf die Seite des Architekten schlug, hob der Bundesgerichtshof diese Entscheidung auf und erkannte eine Schadensersatzverpflichtung des Architekten dem Grunde und der Höhe nach.

 

Das Oberlandesgericht Stuttgart war dabei der Auffassung, dass der Architekt mit dem Vorschlag zur Verwendung der Skontoklausel gegen keine Pflicht verstoßen habe. Nach Anlage 11 zu § 33 Satz 3 HOAI (2009) gehöre zur Leistungsphase 7 gemäß Buchst. h) die Mitwirkung bei der Auftragserteilung. Unter Mitwirkung bei der Auftragserteilung ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart die Vorbereitung und Anpassung der Verträge zu verstehen. Damit wäre es einerseits dem Architekten erlaubt, entsprechende Verträge vorzuformulieren. Es käme damit jedoch nicht gleichzeitig zum Ausdruck, dass der Architekt einen juristisch geprüften, rechtlich einwandfreien Vertragsentwurf schulden würde. Anderenfalls würde man den Architekten wie einen Rechtsanwalt behandeln.

 

Dieser Auffassung konnte sich der Bundesgerichtshof nicht anschließen.

 

Zunächst hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass der Architekt durch die Zurverfügungstellung der Skontoklauseln gegen das Rechtsberatungsverbot nach § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen hat. Durch die Zurverfügungstellung erbrachte der Architekt eine Rechtsdienstleistung nach § 2 (1) RDG, die weder nach § 5 als zulässige Nebenleistung, noch durch Anlage 11 Leistungsphase 7 der HOAI erlaubt sei.

 

Dem Architekten ist als Nebenleistung das Zurverfügungstellen von Vertragsklauseln nicht erlaubt. Zwar erlaubt § 5 (1) 1 und 2 RDG das Recht, Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Jedoch gab der Bundesgerichtshof zu bedenken, dass der Architekt zwar erhebliche Kenntnisse im Werkvertragsrecht, des BGB und der entsprechenden Vorschriften der VOB/B besitzen und anwenden muss. Er ist jedoch nicht mit einem Rechtsberater des Bauherrn gleichzusetzen. Eine allgemeine Rechtsberatung wird von dem Berufsbild des Architekten weder erfasst, da es insoweit an einer hinreichenden juristischen Qualifikation fehlt, noch vorausgesetzt. Also geht  

„die Zurverfügungstellung einer der Interessenlage der Klägerin entsprechenden Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmen (…) über die typischerweise mit der Verwirklichung von Planungs- und Überwachungszielen verbundene Aufgaben und damit über das Berufsbild des Architekten hinaus. Denn die Erfüllung einer solchen Pflicht erfordert qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur in der Anwaltschaft vorhanden sind. Es bedarf daher des Schutzes des Bauherrn als Rechtssuchenden vor unqualifiziertem Rat (…). Demgegenüber wird der Architekt in seiner Berufsausübung nicht behindert, da er mit dem Bauherrn vereinbarte Planungs- und Überwachungsziele erreichen kann, ohne selbst eine Skontoklausel zur Verfügung zu stellen, die die Interessenlage des Bauherrn im Verhältnis zu den bauausführenden Unternehmern abbildet. Der Architekt muss den Bauherrn nur darauf hinweisen, dass ihm eine solche Tätigkeit nicht erlaubt ist, und sich der Bauherr insoweit an einen Rechtsanwalt zu wenden hat. (…) Die vom Senat getroffene Auslegung des Rechtsdienstleistungsgesetzes verletzt den Beklagten nicht in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit. (…)“.

(zitiert nach BGH, Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 190/22, Rn. 31).

 

Weiterhin stellte der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung klar, dass das Zurverfügungstellen von Vertragsklauseln auch nicht durch Anlage 11 Leistungsphase 7 h) zu § 33 Satz 3 HOAI (2009) erlaubt ist. Eine solche Annahme scheide schon aus dem Grund aus, weil der Verordnungsgeber der HOAI durch die gesetzliche Ermächtigung in Art. 10 § 1 MRVG gar nicht ermächtigt wurde, Erlaubnistatbestände für die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen im Sinne von § 3 RDG zu regeln.

 

Die Folgen der Entscheidung für die Praxis:

Auch wenn der Architekt vom Bauherrn zur Mitwirkung bei der Auftragserteilung verpflichtet wurde und entsprechend nach den Grundsätzen der HOAI hierfür auch vergütet wird, bedeutet dies nicht, dass er ohne Weiteres befugt ist, Vertragsklauseln zu entwerfen und z. B. in Form von zur Verfügung gestellten Vertragsentwürfen zur Weiterverwendung gegenüber den Bauunternehmern dem Bauherrn unter die Arme greifen kann. Eine solche Vereinbarung zwischen Architekt und Bauherrn ist gemäß § 3 RDG in Verbindung mit § 134 BGB nichtig. Entsteht in der weiteren Folge dem Bauherrn durch das Verwenden einer solchen Klausel ein Schaden, z. B. weil die Klausel unwirksam ist und sich ein Skontoabzug nicht realisieren lässt, so haftet der Architekt gemäß § 823 (2) in Verbindung mit § 3 RDG auf den hierdurch entstehenden Schaden.

 

Tipp für den Architekten:

Auch wenn Sie beauftragt wurden, bei der Auftragserteilung gemäß Anlage 11 Leistungsphase 7 HOAI mitzuwirken und auch wenn der Bauherr Sie bittet, ihm für die Beauftragung entsprechender Bauunternehmer Vertragsmuster zur Verfügung zu stellen, halten Sie sich an die Aussage des BGH: „Der Architekt muss den Bauherrn nur darauf hinweisen, dass ihm eine solche Tätigkeit nicht erlaubt ist und sich der Bauherr insoweit an einen Rechtsanwalt zu wenden hat.“.

(zitiert nach Rn. 31, BGH, Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 190/22)

 

Tipp für den Bauherrn:

Wünschen Sie Vertragsmuster oder Vertragsentwürfe zur weiteren Verwendung gegenüber den Bauunternehmern, so wenden Sie sich an einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens, idealerweise einen auf das Baurecht spezialisierten Rechtsanwalt. Zwar ist es in der Praxis durchaus üblich, dass auch Architekten Vertragsmuster und –entwürfe vorhalten. Hier können Sie jedoch nicht darauf vertrauen, dass diese dem aktuellen Rechtsstand entsprechen und wirksam sind. Zwar haben Sie einen Schadensersatzanspruch, wenn der Architekt Ihnen eine entsprechende Vertragsklausel zur Verfügung stellt, sich diese als unwirksam erweist und Ihnen ein Schaden entsteht. Sie kommen aber schneller und einfacher an Ihr Geld, wenn der Vertrag von Anfang wirksam gewesen wäre. Dies kann aber nur ein Anwalt für Baurecht für Sie leisten, nicht ein Architekt.


von Árpád Farkas, Anwalt für Immobilienrecht 12. September 2025
Der Fall:  Die Klägerin, eine zum Unfallzeitpunkt 80-jährige Dame, war am 08.02.2021 vor dem Grundstück des Beklagten zu Fuß unterwegs. Sie behauptet, an diesem Tag gegen 15:15 Uhr auf dem vereisten und deshalb durchweg spiegelglatten Bürgersteig vor dem Grundstück des Beklagten gestürzt zu sein. An der Sturzstelle hatte sich nach ihren Ausführungen eine derart dicke, nicht durch Schnee bedeckte Eisschicht gebildet, dass nach Einschätzung ihres Begleiters seit Tagen nicht mehr gestreut worden sei. Die Eisglätte hatte sie vor dem Sturz zwar noch bemerkt und unverzüglich die Straßenseite wechseln wollen. In diesem Moment sei sie jedoch schon gestürzt, was zu diversen Verletzungen und Beschwerden geführt hatte. Die Entscheidung: Das Landgericht und das hiernach befasste Oberlandesgericht haben die Klage der Geschädigten abgewiesen. Dabei stützen sich die Richter unter anderem darauf, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, hinreichend konkret darzulegen, dass der Grundstückseigentümer seiner Räum- und Streupflicht nicht nachgekommen sei und dass an dem Tag Glätte bestanden hätte. Dieser Meinung wollte sich der BGH nicht anschließen und hob die Entscheidungen auf und verwies sie zur erneuten Verhandlung an das Oberlandesgericht zurück. Die Gründe: In seiner Entscheidung ließ sich der Bundesgerichtshof von zwei für die Praxis wichtigen Gedanken leiten: Zunächst war der Bundesgerichtshof der Auffassung, dass ein Passant, der vor einer Immobilie stürzt, seiner Darlegungs- und Beweislast in einem Schadensersatz- und Schmerzensgeldverfahren gegen den Gebäudeeigentümer gerecht wird, wenn er im Gerichtsverfahren vorträgt, dass am streitgegenständlichen Unfalltag mit einer Temperatur um 0° C eine allgemeine Glättebildung ausgelöst wurde und als Beweis hierfür die Einholung eines meteorologischen Sachverständigengutachtens anbietet. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hat sich damit der Geschädigte nämlich nicht darauf beschränkt, zu den Außentemperaturen vorzutragen. Vielmehr hat er bei verständiger Würdigung des Vortrags darüber hinaus auch eine Glättebildung behauptet, die eine Räum- und Streupflicht auslöst. Dieser Gedanke des Bundesgerichtshofs ist deshalb so praxisrelevant, weil er die Schwelle des erforderlichen Vortrags eines gestürzten Passanten im Regressverfahren gegen den Grundstückseigentümer erheblich nach unten schraubt. Auch ein zweiter Gesichtspunkt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist von großer Bedeutung für Grundstückseigentümer. Landgericht und Oberlandesgericht waren der Auffassung, dass eine Klage auch deswegen abzuweisen sei, weil davon auszugehen war, dass die 80-jährige Passantin ein erhebliches Mitverschulden an dem Sturz getroffen habe, das die Haftung des Grundstückseigentümers ausschließt. Auch dieser Meinung wollte sich der Bundesgerichtshof nicht anschließen. Ein die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen ausschließender, weit überwiegender Verursachungsbeitrag des Geschädigten kann nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nur angenommen werden, wenn das Handeln des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gezeichnet ist. So hat der Bundesgerichtshof in einem bereits entschiedenen Fall (Urteil vom 20.11.1984 – VI ZR 169/83) bereits herausgearbeitet, dass ein Geschädigter, der „bewusst und ohne Not“ einen spiegelglatten Parkplatz betritt, nur um sein Auto zu holen, in hohem Maße die Sorgfalt verletzt, die ein vernünftig Handelnder zum Schutze der eigenen Gesundheit und des eigenen Lebens anzuwenden hat. Hierauf beriefen sich Land- und Oberlandesgericht in dem zu entscheidenden Fall. Der Bundesgerichtshof wandte beiden Gerichten jedoch entgegen, dass auch in dem von ihnen zitierten Fall der Senat ein überwiegendes Mitverschulden nicht angenommen hatte, weil auch insoweit von dem Räum- und Streupflichtigen ein erheblicher Verschuldensgrad bei der Nichträumung des Parkplatzes zu erkennen gewesen ist. So bringt der Bundesgerichtshof auf den Punkt, dass Mindest-, aber nicht alleinige Voraussetzung für die Annahme einer schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit des Geschädigten bei „Glätteunfällen“ ist, dass er sich bewusst einer von ihm erkannten erheblichen Gefahr aussetzt. Es reicht nicht aus, wenn der Geschädigte lediglich eine Gefahr – wie hier zum Beispiel die eines Sturzes – für möglich hält und sich sehenden Auges in diese Gefahr begibt. Da die Klägerin vorliegend, als sie die Glätte erkannte, versuchte, die Straßenseite zu wechseln, alles in ihrer Macht Stehende getan hatte, um aus dem Gefahrenbereich zu gelangen, war vorliegend ein überwiegendes Mitverschulden durch das Betreten der vereisten Fläche nicht gegeben. Folgen für die Praxis: Das BGH-Urteil zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, als Grundstückseigentümer seiner Räum- und Streupflicht nachzukommen. Kommt es zu einem Sturz auf nicht geräumter oder nicht gestreuter Fläche vor dem Grundstück, so braucht es nicht viel Tatsachenvortrag durch den Geschädigten, um ein mitunter kosten- und zeitintensives Haftungsverfahren vor Gericht zu erzeugen. Es reicht aus, wenn der Gestürzte vorträgt, dass aufgrund der allgemeinen Wetterlage eine Glättebildung vorhanden war und dass von dem Grundstückseigentümer nicht geräumt und nicht gestreut worden ist. Darüber hinaus zeigt die BGH-Entscheidung aber auch, dass es ausschließlich in absoluten Ausnahmefällen möglich sein wird, dem gestürzten Passanten ein so hohes Maß an Mitschuld zuzuschreiben, dass eine Haftung des Grundstückseigentümers ausgeschlossen werden könnte.
von Árpád Farkas, Fachanwalt für Immobilienrecht 4. September 2025
Der Fall: Der Beklagte war Mieter einer Wohnung in Frankfurt. Der Mietvertrag lief seit Januar 2020 und verpflichtete den Mieter unter anderem, „bei Abschluss des Mietvertrags eine Kaution in Höhe von 4.400,00 €.“ zu leisten. Diese sollte „spätestens zur Übergabe der Wohnung in Form einer unbefristeten, selbstschuldnerischen Bankbürgschaft zu erbringen.“ sein. Nachdem die Vermieterin dem Mieter die Wohnung überlassen hatte, erbrachte dieser trotz entsprechender Ankündigung die Bankbürgschaft nicht. Daraufhin erklärte die Vermieterin mit Schreiben vom 11.05.2020 die außerordentlich fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen unterbliebener Leistung der Mietsicherheit unter Berufung auf § 569 (2a) BGB. Die Entscheidung: Während Amts- und Landgericht die Kündigung der Vermieterin vom 11.05.2020 wegen Nichtleistung der Mietkaution durchgreifen ließen, verwies der Bundesgerichtshof die Sache an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurück, weil er diese Auffassung nicht teilen wollte. Der BGH kam vielmehr zu der Auffassung, dass § 569 (2a) BGB nicht auf Fälle anwendbar sei, in denen eine Bankbürgschaft nicht rechtzeitig geleistet würde. Tatsächlich war es bisher in Rechtsprechung und Lehre umstritten, ob der besondere und weitere Kündigungsgrund des § 569 (2a) BGB nur für die Fälle greift, in denen der Mieter eine in Raten zu leistende Barkaution zu erbringen habe oder auch auf den Fall anzuwenden sei, in dem die Parteien eine Bürgschaft als Sicherheitsleistung vereinbarten und der Mieter diese nicht erbringt. Der letzteren Auffassung hat der Bundesgerichtshof nunmehr eine Absage erteilt. Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass aufgrund des Wortlauts sowie nach Sinn und Zweck der Vorschrift folge, dass der Gesetzgeber § 569 (2a) BGB lediglich auf die Fälle angewendet sehen wollte, in denen die Parteien eine Barkaution vereinbart haben. Dies führte sodann im vorliegenden Fall dazu, dass die Klägerin mit ihrer Kündigung scheiterte. Interessant in diesem Zusammenhang sind dabei auch die Bemerkungen, die der Bundesgerichtshof „neben der Sache“ fallen ließ. So erläuterte der Bundesgerichtshof, dass die Nichtleistung einer Bankbürgschaft zwar kein Kündigungsgrund nach § 569 (2a) BGB ist, aber sehr wohl einen Kündigungsgrund nach § 543 (1) 2 BGB oder auch nach § 573 (2) 1 BGB darstellen kann. Der Nachteil an den letzteren beiden Kündigungsvarianten ist, dass weitergehende Voraussetzungen als der Verzug mit einer Sicherheitsleistung vorliegen müssen. Ebenso wies der Bundesgerichtshof darauf hin, dass die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien überprüft werden muss, wonach unter Umständen die Verpflichtung zur Erbringung einer Bankbürgschaft in voller Summe vor Übergabe des Mietobjekts als unangemessene Benachteiligung eine unwirksame allgemeine Geschäftsbedingung sein könne. Zuletzt wies der Bundesgerichtshof auch darauf hin, dass der Vermieter für den Fall der Vereinbarung einer Bankbürgschaft als Kautionsleistung dergestalt vor zahlungsunwilligen Mietern abgesichert werden kann, dass er die Mietsache erst dann herausgibt, wenn ihm die Bankbürgschaftserklärung auch tatsächlich überreicht wurde. Bis zur Aushändigung der Bürgschaftserklärung steht ihm nämlich insoweit ein Zurückbehaltungsrecht an der Mietsache zu. Folgen für die Praxis: Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist in mehrfacher Hinsicht für die Praxis hilfreich: Zunächst klärt sie den Streit, wonach die nicht rechtzeitige Leistung einer Bankbürgschaft keinen außerordentlichen Kündigungsgrund für Wohnraummietverhältnisse nach § 569 (2a) BGB darstellen kann. Sodann erklärt der Bundesgerichtshof aber durchaus, dass die Nichterbringung einer vertraglich geschuldeten Sicherheit in Form einer Bankbürgschaft einen Kündigungsgrund nach § 543 (1) 2 BGB sowie nach § 573 (2) 1 BGB darstellen kann. Allerdings müssen hierfür dann die nach den Vorschriften weiterhin erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Die Nichtleistung der Bankbürgschaft allein reicht noch nicht zur Kündigung aus. Zuletzt ist dem Vermieter von Wohnraum zu empfehlen, dass für den Fall, dass eine Bankbürgschaft als Sicherheitsleistung vereinbart wurde, erst nach Übergabe dieser Bürgschaftserklärung die Schlüssel an der Mietsache herausgegeben werden sollten. So ist der Vermieter hinreichend geschützt, indem von Anfang an zahlungsunwillige Mieter gar nicht erst Zugang zur Wohnung erhalten.
von Árpád Farkas, Fachanwalt für Immobilienrecht 4. September 2025
Der Fall: Der Kläger vermietete an den Beklagten eine Wohnung in Berlin und erklärte wegen Eigenbedarfs die Kündigung zum 31.01.2021. Im weiteren Verlauf des Gerichtsverfahrens blieb der Eigenbedarfsgrund unstreitig, genauso wie die Wirksamkeit der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung. Allerdings widersprach der Mieter der Kündigung unter Vorlage einer „Stellungnahme über Psychotherapie“ seines – sich als Psychoanalytiker bezeichnenden – Behandlers. In dieser Stellungnahme, in deren Briefkopf die Tätigkeitsfelder des Behandlers unter anderem als „Psychoanalyse“ und „Psychotherapie (HPG)“ bezeichnet sind, heißt es im Wesentlichen, dass seit Mitte Oktober 2020 regelmäßig einmal wöchentlich psychotherapeutische Sitzungen mit dem Mieter stattfänden. Dieser leide an einer akuten Depression und emotionaler Instabilität, verbunden mit Existenzängsten, die ihn zeitweise arbeitsunfähig machten. Ein Umzug führe mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes. Sowohl das Amtsgericht wie auch das in der Berufungsinstanz befasste Landgericht gaben der Räumungsklage des Vermieters statt, weil sie der Auffassung waren, dass die unzumutbare Härte in Form einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Mieters nicht hinreichend vorgetragen bzw. nachgewiesen worden sei. Daran änderte jedenfalls in der Instanz vor dem Landgericht auch nichts die weitere Vorlage einer Stellungnahme des Behandlers, in der es unter anderem hieß, dass für den Mieter Suizidgedanken der einzige Ausweg in den regelmäßigen Episoden seiner manischen Depression seien. Die Behandlung stehe am Beginn eines langen Gesundungsprozesses. Ein Verlust seines Lebensmittelpunktes könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verzweiflungstat führen, die gegebenenfalls in einem Suizid enden könne. Diesen Rechtsbewertungen von Amts- und Landgericht wollte sich der Bundesgerichtshof nicht anschließen. Die Gründe: Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht, um die für die gebotene Gesamtwürdigung des Sachvortrags des Mieters erforderlichen Feststellungen zu treffen. Nach Auffassung des BGH hätte das Landgericht nicht darauf bestehen dürfen, dass der Mieter die gesundheitlichen Folgen der Kündigung durch eine fachärztliche Bescheinigung anstatt durch die vorgelegte Bescheinigung des Psychoanalytikers nachweist. Nach § 574 (1) 1 BGB kann der Mieter der Kündigung eines Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Der BGH war der Auffassung, dass das Landgericht diese Härte nicht deswegen verneinen durfte, weil es sich bei den Ausführungen des Behandlers des Mieters nicht um (fach-)ärztliche Atteste handelte. Für eine solche Qualität bzw. Anforderung an den Vortrag des Mieters im Räumungsprozess gibt sowohl die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als auch die zukünftig zu erwartende Rechtsprechung keine Stütze. Erforderlich ist, dass der Mieter für den Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels durch hinreichend substantiierten Prozessvortrag geltend machen muss, dass ihm schwerwiegende Gesundheitsgefahren drohen, sollte er die Wohnung räumen müssen. Ist ein solcher Tatsachenvortrag erfolgt, haben die Gerichte nach der ständigen Rechtsprechung des BGH regelmäßig mittels sachverständiger Hilfe sich ein eigenes, genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im konkreten Einzelfall mit einem Umzug verbunden sind. Insbesondere haben die Tatsachengerichte zu kontrollieren, welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen voraussichtlich erreichen werden und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann. Damit die Tatsachengerichte jedoch ein Sachverständigengutachten beauftragen, muss der Mieter zunächst seiner sogenannten „Substantiierungslast“ nachkommen. Hierbei handelt es sich um die Verpflichtung des Mieters, dem Gericht alle ihm möglichen Tatsachen vorzulegen, die das Recht des Mieters, hier das Recht auf den Widerspruch, plausibel machen. Nach der Rechtsprechung des BGH genügt der Mieter als medizinischer Laie seiner Substantiierungslast, wenn er unter Vorlage eines ausführlichen fachärztlichen Attests geltend macht, ihm sei ein Umzug wegen einer schweren Erkrankung nicht zuzumuten. Die Vorlage eines fachärztlichen Attests war bisher deswegen erforderlich, weil vom Mieter als medizinischem Laien über die Vorlage eines solchen Attests hinaus nicht verlangt werden könne, noch weitere, meist nur durch Gutachter zu liefernde Angaben zu den gesundheitlichen Folgen, zu deren Schwere und zu der Ernsthaftigkeit der zu befürchtenden gesundheitlichen Nachteile zu machen. Entgegen der Auffassung des hier befassten Landgerichts wollte der BGH damit jedoch nicht zum Ausdruck bringen, dass der Mieter einzig und allein durch die Vorlage eines fachärztlichen Attests seiner Substantiierungspflicht nachkommen könne. Nach Auffassung des BGH besteht hierfür kein Anlass, weil weder das Zivilprozess-, noch das Mietrecht eine solche Qualität für den Widerspruch verlangen. Erforderlich ist vielmehr, dass der Mieter hinreichend konkret die Umstände vorträgt, die seinen Widerspruch begründen. Dies kann, wie der BGH nunmehr erläuterte (BGH a. a. O., Rn. 21), im Einzelfall auch durch eine ausführliche Stellungnahme eines bezogen auf das geltend gemachte Beschwerdebild medizinisch qualifizierten Behandlers erfolgen. Auch so eine Stellungnahme ist geeignet, den Sachvortrag des Mieters zu untermauern, auch wenn diese nicht von einem Facharzt erstellt wurde. Allerdings kommt es auf die konkreten Einzelfallumstände an, ob die vom Mieter vorgelegte Stellungnahme ausreichend ist, das Gericht zu veranlassen, ein medizinisches Gutachten über die Folgen der Kündigung für den Mieter einzuholen. Da das Landgericht aus seiner Sicht folgerichtig die Qualität der Stellungnahme des Behandlers nicht hinterfragt hatte und auch kein Beweis erhoben wurde über die Frage, ob tatsächlich gesundheitliche Nachteile für den Mieter bei Räumung der Wohnung entstehen, musste der BGH die Sache zurückverweisen und das Landgericht zu weiterer Tatsachenfeststellung anhalten. Folgen für die Praxis: Für den Vermieter von Wohnraum gilt immer, besonderes Augenmerk auf die formellen und inhaltlichen Anforderungen an eine Kündigung zu stellen. Selbst wenn der Vermieter hierbei keinerlei Fehler gemacht hat, droht immer noch ein Widerspruch des Mieters wegen unzumutbarer Härte nach § 574 BGB. Zunächst ist unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des BGH zu erkennen, dass der Widerspruch des Mieters nicht von allein und ohne Weiteres zu einer Fortsetzung des Mietverhältnisses führt. Vielmehr ist es erforderlich, dass der Mieter konkrete und belastbare Tatsachen vorträgt, die den Widerspruch stützen. Beruft sich der Mieter zum Beispiel auf gesundheitliche Nachteile durch die Kündigung und Räumung der Wohnung, so hat er dies regelmäßig durch ein ärztliches Attest nachzuweisen. Dabei reicht es nicht aus, dass das Attest von „gesundheitlichen Nachteilen“ spricht. Vielmehr müssen konkrete Details zum Krankheitsbild und zu den Folgen der Kündigung auf dieses Krankheitsbild gemacht werden. In der hier besprochenen Entscheidung machte der Bundesgerichtshof jedoch deutlich, dass ein solches Attest nicht zwingend von einem Facharzt vorzulegen sei, sondern dass auch das Attest eines anderen medizinisch qualifizierten Behandlers ausreicht.
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