Die Fassadendurchbohrung in der WEG

Árpád Farkas, Anwalt für Immobilienrecht

Einen interessanten Fall hatte der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14.02.2025 (Az.: V ZR 86/24) zu entscheiden. Er hatte zu beurteilen, ob es eine Beeinträchtigung der Interessen übriger Wohnungseigentümer darstellt, wenn ein Wohnungseigentümer eine tragende Wand- oder die Fassade durchbohren möchte. Wie so häufig, kam es hierbei nach Auffassung des BGH auf die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls an.

Der Fall:
Der Kläger war Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) und Eigentümer einer im Erdgeschoss gelegenen Wohnung. Im Juni 2022 beantragte er unter Beifügung eines Lichtbilds der geplanten Abdeckung, dass ihm die GdWE die Montage von vier Wohnraumentlüftungen mit außenseitig sichtbaren, farblich angepassten Abdeckungen und die hierzu erforderlichen Fassadenbohrungen mit einem Durchmesser von rund 225 mm unter Einhaltung des KfW-Standards gestattet.

Ein Stein des Anstoßes war unter anderem, dass der Kläger seinem Antrag, abgesehen von der Beifügung des Lichtbilds zur geplanten Abdeckung, keine weiteren Unterlagen beigefügt hatte. In der Versammlung der GdWE wurden Bedenken über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme auf die Bausubstanz und den KfW-Standard geäußert. Der Antrag wurde anschließend abgelehnt.

Der Kläger verlangte die Gestattung der baulichen Veränderung im Wege einer Beschlussersetzungsklage.

Die Gründe:
Während das zunächst befasste Amtsgericht die Klage als unbegründet abwies, war das mit der Berufung befasste Landgericht sogar der Auffassung, dass die Klage mangels Vorbefassung der GdWE unzulässig sei. Beide Erwägungen teilte der BGH nicht, hob  das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht.

Wie viele Informationen bedarf es zur Vorbefassung?
Zunächst beantwortete der BGH die bisher in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob auch nach § 20 (3) WEG n. F. nunmehr für eine hinreichende Vorbefassung der GdWE erforderlich sei, dass der GdWE in diesem Zusammenhang sämtliche erforderlichen Informationen vorgelegt werden. Der BGH bestätigte insoweit seine Auffassung, die er auch im Zusammenhang mit anderen Beschlussersetzungsklagen vertrat. Danach genügt es für die Vorbefassung jedenfalls, dass der klagende Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung die Beschlussfassung verlangt hat, wie er sie schließlich in der Folge von dem Gericht ersetzt verlangt. Danach liegt eine hinreichende Vorbefassung im konkreten Entscheidungsfall vor, weil der Kläger in der Eigentümerversammlung erfolglos versucht hat, eine Beschlussfassung zu erreichen, wie er sie nun mit der Klage geltend machte.

Einerseits lehnte der BGH die Erforderlichkeit der Vorlage von Informationen und Materialien ab, weil durch ein solches Erfordernis eine umfangreich materiell-rechtliche Prüfung in das Zulässigkeitsstadium der Klage vorverlagert würde. Dies ist aus Sicht des Bundesgerichtshofs mit zivilprozessualen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. Auch ergab sich keine Notwendigkeit der Vorlage weiterer Informationen, damit die Eigentümerversammlung eine fundierte Entscheidung treffen kann. Hierbei stellte der Bundesgerichtshof insbesondere darauf ab, dass, selbst wenn zum Beispiel Sachverständigengutachten zur Entscheidungsfindung vorgelegt werden würden, diese in einem Klageverfahren ohnehin nur qualifizierter Parteivortrag wären und unter Umständen ein weiteres Sachverständigengutachten im Gerichtsverfahren erforderlich würde. Dies gilt auch, wenn wie vorliegend ein Gestattungsanspruch nach § 20 (3) WEG geltend gemacht wird und dieser für die Beurteilung der Beeinträchtigungen durch die bauliche Veränderung unter Umständen ein gesteigertes Informationsbedürfnis der übrigen Wohnungseigentümer aufweist.

Zusammenfassend stelle der Bundesgerichtshof daher klar, dass die im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfenden Anforderungen an die Vorbefassung nicht erweitert werden dürfen durch das Erfordernis der Vorlage von weitergehenden Informationen und Unterlagen. Dies würde nämlich zu einer nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Wohnungseigentümers führen. Dieser könnte nicht sicher wissen, welche Unterlagen er der Eigentümerversammlung vorlegen muss, damit er im Anschluss eine zulässige Beschlussersetzungsklage erheben kann. Außerdem wäre für den Antragsteller vor der Beschlussfassung weder absehbar, welche Unterlagen die anderen Wohnungseigentümer für eine positive Beschlussfassung für erforderlich halten, noch könnte er vorhersehen, ob und aus welchen Gründen der beantragte Beschluss möglicherweise trotz der Vorlage umfangreicher Materialien abgelehnt werden wird. Es hätte erhebliche Verzögerungen zur Folge, wenn die Eigentümerversammlung nach Vorlage von gegebenenfalls zeitaufwendig beschafften Unterlagen die Beschlussfassung dennoch ablehnt. Zudem bestünde aufgrund der fehlenden Verwertbarkeit von Privatgutachten im Gerichtsverfahren die Gefahr, dass Gutachten zu einem Thema doppelt eingeholt werden müssten und insoweit auch doppelte Kosten entstünden.

Beeinträchtigt ein Fassadendurchbruch immer die Interessen anderer Wohnungseigentümer?
Die darüber hinaus im vorliegenden Verfahren streitige Frage, ob Fassadendurchbrüche von tragenden Wänden beeinträchtigende bauliche Veränderungen sind, die der Wohnungseigentümer nach § 20 (3) WEG nicht verlangen kann, konnte der Bundesgerichtshof mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen nicht treffen. Allerdings erteilte der Bundesgerichtshof der weit verbreiteten Auffassung eine Absage, wonach eine Durchbohrung der Außenwand oder des Dachs grundsätzlich eine beeinträchtigende bauliche Veränderung darstelle, mit der alle übrigen Wohnungseigentümer einverstanden sein müssten. Dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof ausdrücklich nicht.

Vielmehr wendet der BGH auf die Beurteilung des Begriffs „Beeinträchtigung“ seine Maßstäbe an, die er zur alten Rechtslage der baulichen Veränderung nach §§ 22 (1) 2, 14 Nr. 1 WEG a. F. entwickelt hat. Danach kommt es allein auf eine tatrichterliche Würdigung der Umstände des Einzelfalls an, ob sich andere Wohnungseigentümer durch die geplanten Durchbrüche einer tragenden Wand verständlicherweise beeinträchtigt fühlen können. Wird die Maßnahme nach fachkundiger Planung und gegebenenfalls statischer Berechnung durch ein Fachunternehmen nach den Regeln der Baukunst durchgeführt, kann es an einer Beeinträchtigung der anderen Wohnungseigentümer fehlen. Dies gilt nicht nur für tragende Innenwände, sondern auch für Außenwände (BGH, a. a. O., Rn. 22). Ob ein Wanddurchbruch oder eine Fassadendurchbohrung eine beeinträchtigende bauliche Veränderung darstellt, kann daher nur aufgrund einer fallbezogenen Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen entschieden werden (BGH, a. a. O.).

Folgen für die Praxis:
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bietet zwei wichtige Hinweise für die Praxis der Wohnungseigentumsverwaltung:

1. Zur Vorbefassung:
Verlangt ein Wohnungseigentümer die Zustimmung bzw. Gestattung einer baulichen Veränderung nach § 20 (3) WEG, so hat er einen entsprechenden Antrag zur Vorbefassung an die Eigentümerversammlung zu richten. Bei diesem Antrag hat er grundsätzlich keine weitergehenden Informationen oder Materialien zur Verfügung zu stellen. Er muss allein entscheidendes Augenmerk darauf stellen, dass der Gestattungsantrag, so wie er ihn notfalls gerichtlich weiterverfolgen will, der Eigentümergemeinschaft zur Abstimmung gebracht wird.

2. Zu Fassadendurchbrüchen:
Durchbrüche einer tragenden Wand oder Fassadendurchbohrungen können nicht ohne Weiteres als beeinträchtigende bauliche Veränderungen eingeordnet werden. Ob ein Wanddurchbruch oder eine Fassadendurchbohrung eine die übrigen Wohnungseigentümer beeinträchtigende bauliche Veränderung darstellt, und daher von diesen nicht gestattet werden muss, kann nur aufgrund einer fallbezogenen Abwägung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen entschieden werden.


von Árpád Farkas, Anwalt für Immobilienrecht 12. September 2025
Der Fall:  Die Klägerin, eine zum Unfallzeitpunkt 80-jährige Dame, war am 08.02.2021 vor dem Grundstück des Beklagten zu Fuß unterwegs. Sie behauptet, an diesem Tag gegen 15:15 Uhr auf dem vereisten und deshalb durchweg spiegelglatten Bürgersteig vor dem Grundstück des Beklagten gestürzt zu sein. An der Sturzstelle hatte sich nach ihren Ausführungen eine derart dicke, nicht durch Schnee bedeckte Eisschicht gebildet, dass nach Einschätzung ihres Begleiters seit Tagen nicht mehr gestreut worden sei. Die Eisglätte hatte sie vor dem Sturz zwar noch bemerkt und unverzüglich die Straßenseite wechseln wollen. In diesem Moment sei sie jedoch schon gestürzt, was zu diversen Verletzungen und Beschwerden geführt hatte. Die Entscheidung: Das Landgericht und das hiernach befasste Oberlandesgericht haben die Klage der Geschädigten abgewiesen. Dabei stützen sich die Richter unter anderem darauf, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, hinreichend konkret darzulegen, dass der Grundstückseigentümer seiner Räum- und Streupflicht nicht nachgekommen sei und dass an dem Tag Glätte bestanden hätte. Dieser Meinung wollte sich der BGH nicht anschließen und hob die Entscheidungen auf und verwies sie zur erneuten Verhandlung an das Oberlandesgericht zurück. Die Gründe: In seiner Entscheidung ließ sich der Bundesgerichtshof von zwei für die Praxis wichtigen Gedanken leiten: Zunächst war der Bundesgerichtshof der Auffassung, dass ein Passant, der vor einer Immobilie stürzt, seiner Darlegungs- und Beweislast in einem Schadensersatz- und Schmerzensgeldverfahren gegen den Gebäudeeigentümer gerecht wird, wenn er im Gerichtsverfahren vorträgt, dass am streitgegenständlichen Unfalltag mit einer Temperatur um 0° C eine allgemeine Glättebildung ausgelöst wurde und als Beweis hierfür die Einholung eines meteorologischen Sachverständigengutachtens anbietet. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hat sich damit der Geschädigte nämlich nicht darauf beschränkt, zu den Außentemperaturen vorzutragen. Vielmehr hat er bei verständiger Würdigung des Vortrags darüber hinaus auch eine Glättebildung behauptet, die eine Räum- und Streupflicht auslöst. Dieser Gedanke des Bundesgerichtshofs ist deshalb so praxisrelevant, weil er die Schwelle des erforderlichen Vortrags eines gestürzten Passanten im Regressverfahren gegen den Grundstückseigentümer erheblich nach unten schraubt. Auch ein zweiter Gesichtspunkt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist von großer Bedeutung für Grundstückseigentümer. Landgericht und Oberlandesgericht waren der Auffassung, dass eine Klage auch deswegen abzuweisen sei, weil davon auszugehen war, dass die 80-jährige Passantin ein erhebliches Mitverschulden an dem Sturz getroffen habe, das die Haftung des Grundstückseigentümers ausschließt. Auch dieser Meinung wollte sich der Bundesgerichtshof nicht anschließen. Ein die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen ausschließender, weit überwiegender Verursachungsbeitrag des Geschädigten kann nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nur angenommen werden, wenn das Handeln des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gezeichnet ist. So hat der Bundesgerichtshof in einem bereits entschiedenen Fall (Urteil vom 20.11.1984 – VI ZR 169/83) bereits herausgearbeitet, dass ein Geschädigter, der „bewusst und ohne Not“ einen spiegelglatten Parkplatz betritt, nur um sein Auto zu holen, in hohem Maße die Sorgfalt verletzt, die ein vernünftig Handelnder zum Schutze der eigenen Gesundheit und des eigenen Lebens anzuwenden hat. Hierauf beriefen sich Land- und Oberlandesgericht in dem zu entscheidenden Fall. Der Bundesgerichtshof wandte beiden Gerichten jedoch entgegen, dass auch in dem von ihnen zitierten Fall der Senat ein überwiegendes Mitverschulden nicht angenommen hatte, weil auch insoweit von dem Räum- und Streupflichtigen ein erheblicher Verschuldensgrad bei der Nichträumung des Parkplatzes zu erkennen gewesen ist. So bringt der Bundesgerichtshof auf den Punkt, dass Mindest-, aber nicht alleinige Voraussetzung für die Annahme einer schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit des Geschädigten bei „Glätteunfällen“ ist, dass er sich bewusst einer von ihm erkannten erheblichen Gefahr aussetzt. Es reicht nicht aus, wenn der Geschädigte lediglich eine Gefahr – wie hier zum Beispiel die eines Sturzes – für möglich hält und sich sehenden Auges in diese Gefahr begibt. Da die Klägerin vorliegend, als sie die Glätte erkannte, versuchte, die Straßenseite zu wechseln, alles in ihrer Macht Stehende getan hatte, um aus dem Gefahrenbereich zu gelangen, war vorliegend ein überwiegendes Mitverschulden durch das Betreten der vereisten Fläche nicht gegeben. Folgen für die Praxis: Das BGH-Urteil zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, als Grundstückseigentümer seiner Räum- und Streupflicht nachzukommen. Kommt es zu einem Sturz auf nicht geräumter oder nicht gestreuter Fläche vor dem Grundstück, so braucht es nicht viel Tatsachenvortrag durch den Geschädigten, um ein mitunter kosten- und zeitintensives Haftungsverfahren vor Gericht zu erzeugen. Es reicht aus, wenn der Gestürzte vorträgt, dass aufgrund der allgemeinen Wetterlage eine Glättebildung vorhanden war und dass von dem Grundstückseigentümer nicht geräumt und nicht gestreut worden ist. Darüber hinaus zeigt die BGH-Entscheidung aber auch, dass es ausschließlich in absoluten Ausnahmefällen möglich sein wird, dem gestürzten Passanten ein so hohes Maß an Mitschuld zuzuschreiben, dass eine Haftung des Grundstückseigentümers ausgeschlossen werden könnte.
von Árpád Farkas, Fachanwalt für Immobilienrecht 4. September 2025
Der Fall: Der Beklagte war Mieter einer Wohnung in Frankfurt. Der Mietvertrag lief seit Januar 2020 und verpflichtete den Mieter unter anderem, „bei Abschluss des Mietvertrags eine Kaution in Höhe von 4.400,00 €.“ zu leisten. Diese sollte „spätestens zur Übergabe der Wohnung in Form einer unbefristeten, selbstschuldnerischen Bankbürgschaft zu erbringen.“ sein. Nachdem die Vermieterin dem Mieter die Wohnung überlassen hatte, erbrachte dieser trotz entsprechender Ankündigung die Bankbürgschaft nicht. Daraufhin erklärte die Vermieterin mit Schreiben vom 11.05.2020 die außerordentlich fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen unterbliebener Leistung der Mietsicherheit unter Berufung auf § 569 (2a) BGB. Die Entscheidung: Während Amts- und Landgericht die Kündigung der Vermieterin vom 11.05.2020 wegen Nichtleistung der Mietkaution durchgreifen ließen, verwies der Bundesgerichtshof die Sache an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurück, weil er diese Auffassung nicht teilen wollte. Der BGH kam vielmehr zu der Auffassung, dass § 569 (2a) BGB nicht auf Fälle anwendbar sei, in denen eine Bankbürgschaft nicht rechtzeitig geleistet würde. Tatsächlich war es bisher in Rechtsprechung und Lehre umstritten, ob der besondere und weitere Kündigungsgrund des § 569 (2a) BGB nur für die Fälle greift, in denen der Mieter eine in Raten zu leistende Barkaution zu erbringen habe oder auch auf den Fall anzuwenden sei, in dem die Parteien eine Bürgschaft als Sicherheitsleistung vereinbarten und der Mieter diese nicht erbringt. Der letzteren Auffassung hat der Bundesgerichtshof nunmehr eine Absage erteilt. Der Bundesgerichtshof ist der Auffassung, dass aufgrund des Wortlauts sowie nach Sinn und Zweck der Vorschrift folge, dass der Gesetzgeber § 569 (2a) BGB lediglich auf die Fälle angewendet sehen wollte, in denen die Parteien eine Barkaution vereinbart haben. Dies führte sodann im vorliegenden Fall dazu, dass die Klägerin mit ihrer Kündigung scheiterte. Interessant in diesem Zusammenhang sind dabei auch die Bemerkungen, die der Bundesgerichtshof „neben der Sache“ fallen ließ. So erläuterte der Bundesgerichtshof, dass die Nichtleistung einer Bankbürgschaft zwar kein Kündigungsgrund nach § 569 (2a) BGB ist, aber sehr wohl einen Kündigungsgrund nach § 543 (1) 2 BGB oder auch nach § 573 (2) 1 BGB darstellen kann. Der Nachteil an den letzteren beiden Kündigungsvarianten ist, dass weitergehende Voraussetzungen als der Verzug mit einer Sicherheitsleistung vorliegen müssen. Ebenso wies der Bundesgerichtshof darauf hin, dass die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien überprüft werden muss, wonach unter Umständen die Verpflichtung zur Erbringung einer Bankbürgschaft in voller Summe vor Übergabe des Mietobjekts als unangemessene Benachteiligung eine unwirksame allgemeine Geschäftsbedingung sein könne. Zuletzt wies der Bundesgerichtshof auch darauf hin, dass der Vermieter für den Fall der Vereinbarung einer Bankbürgschaft als Kautionsleistung dergestalt vor zahlungsunwilligen Mietern abgesichert werden kann, dass er die Mietsache erst dann herausgibt, wenn ihm die Bankbürgschaftserklärung auch tatsächlich überreicht wurde. Bis zur Aushändigung der Bürgschaftserklärung steht ihm nämlich insoweit ein Zurückbehaltungsrecht an der Mietsache zu. Folgen für die Praxis: Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist in mehrfacher Hinsicht für die Praxis hilfreich: Zunächst klärt sie den Streit, wonach die nicht rechtzeitige Leistung einer Bankbürgschaft keinen außerordentlichen Kündigungsgrund für Wohnraummietverhältnisse nach § 569 (2a) BGB darstellen kann. Sodann erklärt der Bundesgerichtshof aber durchaus, dass die Nichterbringung einer vertraglich geschuldeten Sicherheit in Form einer Bankbürgschaft einen Kündigungsgrund nach § 543 (1) 2 BGB sowie nach § 573 (2) 1 BGB darstellen kann. Allerdings müssen hierfür dann die nach den Vorschriften weiterhin erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Die Nichtleistung der Bankbürgschaft allein reicht noch nicht zur Kündigung aus. Zuletzt ist dem Vermieter von Wohnraum zu empfehlen, dass für den Fall, dass eine Bankbürgschaft als Sicherheitsleistung vereinbart wurde, erst nach Übergabe dieser Bürgschaftserklärung die Schlüssel an der Mietsache herausgegeben werden sollten. So ist der Vermieter hinreichend geschützt, indem von Anfang an zahlungsunwillige Mieter gar nicht erst Zugang zur Wohnung erhalten.
von Árpád Farkas, Fachanwalt für Immobilienrecht 4. September 2025
Der Fall: Der Kläger vermietete an den Beklagten eine Wohnung in Berlin und erklärte wegen Eigenbedarfs die Kündigung zum 31.01.2021. Im weiteren Verlauf des Gerichtsverfahrens blieb der Eigenbedarfsgrund unstreitig, genauso wie die Wirksamkeit der ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung. Allerdings widersprach der Mieter der Kündigung unter Vorlage einer „Stellungnahme über Psychotherapie“ seines – sich als Psychoanalytiker bezeichnenden – Behandlers. In dieser Stellungnahme, in deren Briefkopf die Tätigkeitsfelder des Behandlers unter anderem als „Psychoanalyse“ und „Psychotherapie (HPG)“ bezeichnet sind, heißt es im Wesentlichen, dass seit Mitte Oktober 2020 regelmäßig einmal wöchentlich psychotherapeutische Sitzungen mit dem Mieter stattfänden. Dieser leide an einer akuten Depression und emotionaler Instabilität, verbunden mit Existenzängsten, die ihn zeitweise arbeitsunfähig machten. Ein Umzug führe mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes. Sowohl das Amtsgericht wie auch das in der Berufungsinstanz befasste Landgericht gaben der Räumungsklage des Vermieters statt, weil sie der Auffassung waren, dass die unzumutbare Härte in Form einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Mieters nicht hinreichend vorgetragen bzw. nachgewiesen worden sei. Daran änderte jedenfalls in der Instanz vor dem Landgericht auch nichts die weitere Vorlage einer Stellungnahme des Behandlers, in der es unter anderem hieß, dass für den Mieter Suizidgedanken der einzige Ausweg in den regelmäßigen Episoden seiner manischen Depression seien. Die Behandlung stehe am Beginn eines langen Gesundungsprozesses. Ein Verlust seines Lebensmittelpunktes könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verzweiflungstat führen, die gegebenenfalls in einem Suizid enden könne. Diesen Rechtsbewertungen von Amts- und Landgericht wollte sich der Bundesgerichtshof nicht anschließen. Die Gründe: Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht, um die für die gebotene Gesamtwürdigung des Sachvortrags des Mieters erforderlichen Feststellungen zu treffen. Nach Auffassung des BGH hätte das Landgericht nicht darauf bestehen dürfen, dass der Mieter die gesundheitlichen Folgen der Kündigung durch eine fachärztliche Bescheinigung anstatt durch die vorgelegte Bescheinigung des Psychoanalytikers nachweist. Nach § 574 (1) 1 BGB kann der Mieter der Kündigung eines Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Der BGH war der Auffassung, dass das Landgericht diese Härte nicht deswegen verneinen durfte, weil es sich bei den Ausführungen des Behandlers des Mieters nicht um (fach-)ärztliche Atteste handelte. Für eine solche Qualität bzw. Anforderung an den Vortrag des Mieters im Räumungsprozess gibt sowohl die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als auch die zukünftig zu erwartende Rechtsprechung keine Stütze. Erforderlich ist, dass der Mieter für den Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels durch hinreichend substantiierten Prozessvortrag geltend machen muss, dass ihm schwerwiegende Gesundheitsgefahren drohen, sollte er die Wohnung räumen müssen. Ist ein solcher Tatsachenvortrag erfolgt, haben die Gerichte nach der ständigen Rechtsprechung des BGH regelmäßig mittels sachverständiger Hilfe sich ein eigenes, genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im konkreten Einzelfall mit einem Umzug verbunden sind. Insbesondere haben die Tatsachengerichte zu kontrollieren, welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen voraussichtlich erreichen werden und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann. Damit die Tatsachengerichte jedoch ein Sachverständigengutachten beauftragen, muss der Mieter zunächst seiner sogenannten „Substantiierungslast“ nachkommen. Hierbei handelt es sich um die Verpflichtung des Mieters, dem Gericht alle ihm möglichen Tatsachen vorzulegen, die das Recht des Mieters, hier das Recht auf den Widerspruch, plausibel machen. Nach der Rechtsprechung des BGH genügt der Mieter als medizinischer Laie seiner Substantiierungslast, wenn er unter Vorlage eines ausführlichen fachärztlichen Attests geltend macht, ihm sei ein Umzug wegen einer schweren Erkrankung nicht zuzumuten. Die Vorlage eines fachärztlichen Attests war bisher deswegen erforderlich, weil vom Mieter als medizinischem Laien über die Vorlage eines solchen Attests hinaus nicht verlangt werden könne, noch weitere, meist nur durch Gutachter zu liefernde Angaben zu den gesundheitlichen Folgen, zu deren Schwere und zu der Ernsthaftigkeit der zu befürchtenden gesundheitlichen Nachteile zu machen. Entgegen der Auffassung des hier befassten Landgerichts wollte der BGH damit jedoch nicht zum Ausdruck bringen, dass der Mieter einzig und allein durch die Vorlage eines fachärztlichen Attests seiner Substantiierungspflicht nachkommen könne. Nach Auffassung des BGH besteht hierfür kein Anlass, weil weder das Zivilprozess-, noch das Mietrecht eine solche Qualität für den Widerspruch verlangen. Erforderlich ist vielmehr, dass der Mieter hinreichend konkret die Umstände vorträgt, die seinen Widerspruch begründen. Dies kann, wie der BGH nunmehr erläuterte (BGH a. a. O., Rn. 21), im Einzelfall auch durch eine ausführliche Stellungnahme eines bezogen auf das geltend gemachte Beschwerdebild medizinisch qualifizierten Behandlers erfolgen. Auch so eine Stellungnahme ist geeignet, den Sachvortrag des Mieters zu untermauern, auch wenn diese nicht von einem Facharzt erstellt wurde. Allerdings kommt es auf die konkreten Einzelfallumstände an, ob die vom Mieter vorgelegte Stellungnahme ausreichend ist, das Gericht zu veranlassen, ein medizinisches Gutachten über die Folgen der Kündigung für den Mieter einzuholen. Da das Landgericht aus seiner Sicht folgerichtig die Qualität der Stellungnahme des Behandlers nicht hinterfragt hatte und auch kein Beweis erhoben wurde über die Frage, ob tatsächlich gesundheitliche Nachteile für den Mieter bei Räumung der Wohnung entstehen, musste der BGH die Sache zurückverweisen und das Landgericht zu weiterer Tatsachenfeststellung anhalten. Folgen für die Praxis: Für den Vermieter von Wohnraum gilt immer, besonderes Augenmerk auf die formellen und inhaltlichen Anforderungen an eine Kündigung zu stellen. Selbst wenn der Vermieter hierbei keinerlei Fehler gemacht hat, droht immer noch ein Widerspruch des Mieters wegen unzumutbarer Härte nach § 574 BGB. Zunächst ist unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des BGH zu erkennen, dass der Widerspruch des Mieters nicht von allein und ohne Weiteres zu einer Fortsetzung des Mietverhältnisses führt. Vielmehr ist es erforderlich, dass der Mieter konkrete und belastbare Tatsachen vorträgt, die den Widerspruch stützen. Beruft sich der Mieter zum Beispiel auf gesundheitliche Nachteile durch die Kündigung und Räumung der Wohnung, so hat er dies regelmäßig durch ein ärztliches Attest nachzuweisen. Dabei reicht es nicht aus, dass das Attest von „gesundheitlichen Nachteilen“ spricht. Vielmehr müssen konkrete Details zum Krankheitsbild und zu den Folgen der Kündigung auf dieses Krankheitsbild gemacht werden. In der hier besprochenen Entscheidung machte der Bundesgerichtshof jedoch deutlich, dass ein solches Attest nicht zwingend von einem Facharzt vorzulegen sei, sondern dass auch das Attest eines anderen medizinisch qualifizierten Behandlers ausreicht.
von Árpád Farkas, Anwalt für Immobilienrecht 15. April 2025
Was geschieht, wenn der Mieter oder Pächter eines Eigentümers ohne Genehmigungsbeschluss bauliche Veränderungen vornimmt?
von Árpád Farkas, Anwalt für Immobilienrecht 19. März 2025
Aus einer auf einem Grundstück lastenden öffentlich-rechtlichen Baulast folgt keine zivilrechtliche Duldungspflicht des Grundstückseigentümers gegenüber dem Nachbarn, zugunsten dessen die Baulast gegenüber der Bauaufsichtsbehörde abgegeben wurde.
von Árpád Farkas, Anwalt für Immobilienrecht 10. Februar 2025
Über die "gesetzliche Öffnungsklausel" des § 16 (2) 2 WEG können auch Kostentragungsregeln aus der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung durch einfachen Mehrheitsbeschluss geändert werden.
von Árpád Farkas, Anwalt für Immobilienrecht 30. Januar 2025
Zum Beginn der Verjährung des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherungshypothek.
von Árpád Farkas, Anwalt für Immobilienrecht 18. Dezember 2024
Voraussetzungen der Erweiterung der Entscheidungskompetenz des Verwalters durch Beschluss.
von Árpád Farkas, Anwalt für Immobilienrecht 18. Dezember 2024
Die Schonfristzahlung heilt nur eine außerordentliche Kündigung, nicht aber eine ordentliche Kündigung.
von Árpád Farkas, Anwalt für Immobilienrecht 18. Dezember 2024
Voraussetzungen unter denen die GdWE einen Zweitbeschluss über Vorschüsse fassen darf.