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"Architekt, bleib bei deinen Plänen"

Árpád Farkas, Anwalt für Baurecht

Was passiert eigentlich, wenn ein Architekt dem Bauherrn Vertragsklauseln vorformuliert, die dieser dann bei der Beauftragung von Werkunternehmern weiterverwendet? Der Architekt bekommt große Probleme, entschied der BGH (Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 190/22). In der Zurverfügungstellung einer solchen Klausel verstößt der Architekt gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und macht sich nach § 823 (2) BGB in Verbindung mit § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz gegenüber dem Bauherrn schadensersatzpflichtig.

 

Das Wesentliche in aller Kürze:

(zitiert nach BGH, Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 190/22, Rn. 31)

 „Die Zurverfügungstellung einer der Interessenlage der Klägerin entsprechenden Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmen geht über die typischerweise mit der Verwirklichung von Planungs- und Überwachungszielen verbundenen Aufgaben und damit über das Berufsbild des Architekten hinaus. Denn die Erfüllung einer solchen Pflicht erfordert qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur in der Anwaltschaft vorhanden sind. Es bedarf deshalb des Schutzes des Bauherrn als Rechtssuchenden vor unqualifiziertem Rat.“

 

Zum Fall:

(zitiert nach BGH, Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 190/22, Rn. 1-5)

 „Die Klägerin verlangt von dem beklagten Architekten Schadensersatz. (…) Der Beklagte war mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 gemäß § 33 HOAI (2009) hinsichtlich des Neubaus eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes beauftragt. Der Beklagte stellte der Klägerin unter anderem einen Bauvertragsentwurf mit einer von ihm vorformulierten Skontoklausel zur Verfügung, den diese bei der Beauftragung von zumindest vier bauausführenden Unternehmern verwandte.“ Von der Schlussrechnung einer der bauausführenden Unternehmen behielt die Klägerin einen dreiprozentigen Skontoabzug in Höhe von 125.098,75 € brutto ein. In einem Rechtsstreit mit dieser Bauunternehmung stellte sich heraus, dass die Skontoklausel unwirksam sei und der Einbehalt insoweit von der Klägerin an den Bauunternehmer erstattet werden musste.

 

Die Klägerin verklagte daraufhin den Architekten auf Ersatz des nicht realisierten Skontos in Höhe von 125.098,75 € als Schaden.

 

Die Lösung:

Während das Oberlandesgericht Stuttgart sich als Berufungsinstanz noch auf die Seite des Architekten schlug, hob der Bundesgerichtshof diese Entscheidung auf und erkannte eine Schadensersatzverpflichtung des Architekten dem Grunde und der Höhe nach.

 

Das Oberlandesgericht Stuttgart war dabei der Auffassung, dass der Architekt mit dem Vorschlag zur Verwendung der Skontoklausel gegen keine Pflicht verstoßen habe. Nach Anlage 11 zu § 33 Satz 3 HOAI (2009) gehöre zur Leistungsphase 7 gemäß Buchst. h) die Mitwirkung bei der Auftragserteilung. Unter Mitwirkung bei der Auftragserteilung ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart die Vorbereitung und Anpassung der Verträge zu verstehen. Damit wäre es einerseits dem Architekten erlaubt, entsprechende Verträge vorzuformulieren. Es käme damit jedoch nicht gleichzeitig zum Ausdruck, dass der Architekt einen juristisch geprüften, rechtlich einwandfreien Vertragsentwurf schulden würde. Anderenfalls würde man den Architekten wie einen Rechtsanwalt behandeln.

 

Dieser Auffassung konnte sich der Bundesgerichtshof nicht anschließen.

 

Zunächst hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass der Architekt durch die Zurverfügungstellung der Skontoklauseln gegen das Rechtsberatungsverbot nach § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen hat. Durch die Zurverfügungstellung erbrachte der Architekt eine Rechtsdienstleistung nach § 2 (1) RDG, die weder nach § 5 als zulässige Nebenleistung, noch durch Anlage 11 Leistungsphase 7 der HOAI erlaubt sei.

 

Dem Architekten ist als Nebenleistung das Zurverfügungstellen von Vertragsklauseln nicht erlaubt. Zwar erlaubt § 5 (1) 1 und 2 RDG das Recht, Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Jedoch gab der Bundesgerichtshof zu bedenken, dass der Architekt zwar erhebliche Kenntnisse im Werkvertragsrecht, des BGB und der entsprechenden Vorschriften der VOB/B besitzen und anwenden muss. Er ist jedoch nicht mit einem Rechtsberater des Bauherrn gleichzusetzen. Eine allgemeine Rechtsberatung wird von dem Berufsbild des Architekten weder erfasst, da es insoweit an einer hinreichenden juristischen Qualifikation fehlt, noch vorausgesetzt. Also geht  

„die Zurverfügungstellung einer der Interessenlage der Klägerin entsprechenden Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmen (…) über die typischerweise mit der Verwirklichung von Planungs- und Überwachungszielen verbundene Aufgaben und damit über das Berufsbild des Architekten hinaus. Denn die Erfüllung einer solchen Pflicht erfordert qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur in der Anwaltschaft vorhanden sind. Es bedarf daher des Schutzes des Bauherrn als Rechtssuchenden vor unqualifiziertem Rat (…). Demgegenüber wird der Architekt in seiner Berufsausübung nicht behindert, da er mit dem Bauherrn vereinbarte Planungs- und Überwachungsziele erreichen kann, ohne selbst eine Skontoklausel zur Verfügung zu stellen, die die Interessenlage des Bauherrn im Verhältnis zu den bauausführenden Unternehmern abbildet. Der Architekt muss den Bauherrn nur darauf hinweisen, dass ihm eine solche Tätigkeit nicht erlaubt ist, und sich der Bauherr insoweit an einen Rechtsanwalt zu wenden hat. (…) Die vom Senat getroffene Auslegung des Rechtsdienstleistungsgesetzes verletzt den Beklagten nicht in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit. (…)“.

(zitiert nach BGH, Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 190/22, Rn. 31).

 

Weiterhin stellte der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung klar, dass das Zurverfügungstellen von Vertragsklauseln auch nicht durch Anlage 11 Leistungsphase 7 h) zu § 33 Satz 3 HOAI (2009) erlaubt ist. Eine solche Annahme scheide schon aus dem Grund aus, weil der Verordnungsgeber der HOAI durch die gesetzliche Ermächtigung in Art. 10 § 1 MRVG gar nicht ermächtigt wurde, Erlaubnistatbestände für die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen im Sinne von § 3 RDG zu regeln.

 

Die Folgen der Entscheidung für die Praxis:

Auch wenn der Architekt vom Bauherrn zur Mitwirkung bei der Auftragserteilung verpflichtet wurde und entsprechend nach den Grundsätzen der HOAI hierfür auch vergütet wird, bedeutet dies nicht, dass er ohne Weiteres befugt ist, Vertragsklauseln zu entwerfen und z. B. in Form von zur Verfügung gestellten Vertragsentwürfen zur Weiterverwendung gegenüber den Bauunternehmern dem Bauherrn unter die Arme greifen kann. Eine solche Vereinbarung zwischen Architekt und Bauherrn ist gemäß § 3 RDG in Verbindung mit § 134 BGB nichtig. Entsteht in der weiteren Folge dem Bauherrn durch das Verwenden einer solchen Klausel ein Schaden, z. B. weil die Klausel unwirksam ist und sich ein Skontoabzug nicht realisieren lässt, so haftet der Architekt gemäß § 823 (2) in Verbindung mit § 3 RDG auf den hierdurch entstehenden Schaden.

 

Tipp für den Architekten:

Auch wenn Sie beauftragt wurden, bei der Auftragserteilung gemäß Anlage 11 Leistungsphase 7 HOAI mitzuwirken und auch wenn der Bauherr Sie bittet, ihm für die Beauftragung entsprechender Bauunternehmer Vertragsmuster zur Verfügung zu stellen, halten Sie sich an die Aussage des BGH: „Der Architekt muss den Bauherrn nur darauf hinweisen, dass ihm eine solche Tätigkeit nicht erlaubt ist und sich der Bauherr insoweit an einen Rechtsanwalt zu wenden hat.“.

(zitiert nach Rn. 31, BGH, Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 190/22)

 

Tipp für den Bauherrn:

Wünschen Sie Vertragsmuster oder Vertragsentwürfe zur weiteren Verwendung gegenüber den Bauunternehmern, so wenden Sie sich an einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens, idealerweise einen auf das Baurecht spezialisierten Rechtsanwalt. Zwar ist es in der Praxis durchaus üblich, dass auch Architekten Vertragsmuster und –entwürfe vorhalten. Hier können Sie jedoch nicht darauf vertrauen, dass diese dem aktuellen Rechtsstand entsprechen und wirksam sind. Zwar haben Sie einen Schadensersatzanspruch, wenn der Architekt Ihnen eine entsprechende Vertragsklausel zur Verfügung stellt, sich diese als unwirksam erweist und Ihnen ein Schaden entsteht. Sie kommen aber schneller und einfacher an Ihr Geld, wenn der Vertrag von Anfang wirksam gewesen wäre. Dies kann aber nur ein Anwalt für Baurecht für Sie leisten, nicht ein Architekt.


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